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Luftfahrt als Vorbild für Operational Excellence? – Erfolgsfaktor starkes Mittel-Management

Autorenbild: Moritz HirscherMoritz Hirscher

Gehirn aus, Autopilot an?! Eines von gängigen Vorurteilen, mit dem Piloten heutzutage konfrontiert werden. Dabei ist Luftfahrt viel mehr als das! Man mag es kaum glauben, aber die Parallelen zur Operationellen Exzellenz, gängigen LEAN Management Werkzeugen sowie insb. der Kultur der kontinuierlichen Verbesserung sind eklatant.


Als ehemaliger Porsche Consulting Berater und Director Operational Excellence sowie Werksleiter möchte ich als nunmehr Pilot unseren Arbeitsalltag mit einigen Beispielen in Relation zur Operationellen Exzellenz setzen, damit Sie die Parallelen nachvollziehen und eine Brücke zu Ihrem spezifischen Prozess schlagen können.

Die Rolle von Schlüsselpositionen

In diesem Beitrag möchte ich auf ein wesentliches Thema eingehen, welches mich seit Beginn meiner beruflichen Karriere beschäftigt und meines Erachtens nach noch immer sträflich vernachlässigt wird. Es geht um die strukturierte Identifikation wesentlicher Schlüsselfiguren, vor allem im mittleren Management, und die zugehörige Auswahl, Förderung & Entwicklung.


Wer kennt es nicht? Eine Führungskraft scheidet (warum auch immer) aus. Eine rasche Lösung muss her. Ein Mitarbeiter übernimmt auf die Schnelle die vakante Position. Aus einer angedachten Zwischenlösung wird eine permanente. Doch Prozesse laufen nicht rund. Die neue Führungskraft beschäftigt sich nur noch mit „Feuerlöschen“. Eine Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben ist nicht mehr möglich. Es entstehen Konflikte mit Mitarbeitern aller Ebenen. Der Mitarbeiter ist frustriert, gibt auf, entweder durch Wechsel oder weil seine Gesundheit nicht mehr mitspielt – der Mitarbeiter wurde „verheizt“.


Doch was sind die Kernprobleme des Ganzen?

Gliedern wir es in die folgenden Themenbereiche auf:

1. Identifikation von Schlüsselpositionen

2. Auswahl der richtigen Mitarbeiter

3. Förderung & Entwicklung


1. Identifikation von Schlüsselpositionen

Es erscheint zuallererst einmal wichtig zu definieren, wo im Unternehmen Schlüsselpositionen vorzufinden sind. Hierzu ist das Denken in Prozessen von großer Bedeutung. Denn erst aus der genauen Definition und Beschreibung der Unternehmensprozesse ergeben sich die zu besetzenden Positionen. Hieraus wiederum lassen sich erst die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKVs) ermitteln, die für den Prozess benötigt werden. Dieser Anforderungskatalog komm wiederum später erst in der Auswahl des Personals zum Tragen. Die Frage ist also, wie sieht mein Prozess aus und welche Rollen leiten sich aus ihm ab. Nicht umgekehrt!

Zur Definition von Schlüsselpositionen können im Anschluss spezifische Kriterien aufgelistet werden. Ein potenzieller Trugschluss ist bei der Bewertung der Kriterien sicherlich die Verwechslung von Macht, im Sinne zugewiesener Personalverantwortung, und dem nötigen Leadership eines Mitarbeiters, um Projekte oder Veränderung voranzutreiben und Mitarbeiter zu führen.


Viel wichtiger als solch zugewiesene Macht ist deswegen m.E. nach, inwiefern die Position eine wesentliche Schnittstelle im Unternehmen darstellt. Damit ist eine Position des Dreh- und Angelpunktes gemeint, die wesentlich Dinge bewegt und einen direkten Einfluss auf die Unternehmenskultur auf operativer Ebene ausübt. Klassischerweise sind dies Team- oder Projektleiter-Positionen. Nach der vorangegangenen Definition könnten dies aber z.B. auch Schichtleiter sein. Obwohl sie eher weniger strategisch managen, sind sie es doch auf der operativen Ebene, die Vorgaben implementieren müssen und somit Dinge bewegen…oder eben auch nicht. Gerade an der Sollbruchstelle von mittlerem Management zur operativen Basis können sich schnell Subkulturen mit unerwünschtem Eigenleben im Unternehmen bilden.


Beispiel aus der Fliegerwelt:

Wie immer möchte ich gerne Vergleiche aus meinem fliegerischen Alltag einfließen lassen.

Unabhängig von der Airline und dem Flughafen springt mir ein Exempel täglich ins Auge: Die unterschätzte Rolle des Ramp-Agenten. Zur Erklärung: Der Ramp-Agent steht während des Turnarounds in ständigem Kontakt mit dem Cockpit, dem Gate, dem Check-In-Counter, dem Load- und Control-Center und koordiniert sämtliche Bodenprozesse, z.B. die Be- und Entladung des Gepäcks und des Cargos, das Catering, den Beginn des Einsteigevorgangs, die nötige Koordination bei fehlenden Passagieren und gibt u.A. alle Daten weiter, um das sog. Weight- & Balance des Fliegers berechnen zu lassen.

Meiner Meinung nach ist die beschriebene Position ein zentraler Dreh- und Angelpunkt des Abfertigungsprozesses, vergleichbar mit der eines Schichtleiters in der Produktion. Seine Organisation, Übersicht und vor allem Kommunikation mit allen Stellen hat wesentlichen Einfluss auf den pünktlichen Abflug des Flugzeuges und auf Einnahmen und Zusatzkosten für die Airline.

Beispielsweise initiiert er, ob Gepäck oder Cargo z.B. aus Platzgründen abgeladen werden müssen und gibt die Info an das Cockpit (vgl. Management-Ebene) zwar weiter, welches aber normalerweise nicht die nötige Kapazität hat, um immer zu überprüfen, ob die Einschätzung des Ramp-Agenten (vgl. Schichtleiter-Ebene) stimmt oder nicht. Selbst wenn die Aussage theoretisch überprüfbar wäre, verhindert häufig der Zeitdruck, dass man gegensteuern kann, denn der Flug ist minutiös geplant. Große Verspätungen wirken sich direkt auf folgende Rotationen aus und können aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bis zu mehreren hunderttausend Euro Strafe kosten.


Meines Erachtens nach wird in die Auswahl, Förderung und Entwicklung der Ramp-Agenten viel zu wenig Fokus gelegt. Angefangen bei mangelnder Sprach- und grundlegender Kommunikationskompetenz liegen die Probleme meist noch tiefer. Häufig steht er dem Bodenpersonal näher als der Airline (seinem Kunden) und hat keinerlei Ambitionen, Extra-Arbeit, wie z.B. das Unterbringen zusätzlichen Cargos, organisatorisch umzusetzen.


Um den Bogen zur Industrie zu schlagen, sei gesagt, dass ich diese Situation bestens am eigenen Leibe als Berater und Werksleiter erfahren habe. Auf der „Werker-Ebene“ hatten sich in Zusammenarbeit mit dem Schichtleiter teilweise seltsam anmutende Sub-Kulturen gebildet, die gemeinschaftlich gegen das Management und damit gegen die eigene Firma arbeiteten. Diese Strukturen später wieder aufzubrechen, kostet viel Aufwand und Energie.


Fragen an Sie zur Anregung:

Haben Sie Ihren Prozess bereits beschrieben, Positionen aus ihm abgeleitet und schlussendlich Schlüsselpositionen im Prozess und im Unternehmen strukturiert identifiziert?

Wenn ja, dann können Sie bereits auf einem super Fundament aufbauen.


2. Auswahl der richtigen Mitarbeiter

Die Auswahl des richtigen Personals basiert in großen Teilen auf den Anforderungskriterien des 1. Schritts, der Identifikation der Schlüsselpositionen.


Es stellt sich die Frage, welche Kompetenzen auf den jeweiligen Ebenen gefordert sind UND inwiefern die Mitarbeiter zielgerichtet die Hierarchien hinaufklettern sollen oder nicht. Dies ist wichtig. Denn ist das fest eingeplant, so müssen bereits am Anfang des Auswahlprozesses die Kompetenzen für spätere Karriereschritte ermittelt werden. Dies geschieht typischerweise bei Trainee-Programmen, aber z.B. eben auch im Piloten-Auswahl-Prozess.

Bei den Kriterien sollte man m.E. aufpassen, den Fokus nicht zu sehr auf bereits vorhandene Spezialisierungen oder Fortbildungen zu richten. Wichtiger sind eher die benötigten kognitiven, psychologischen und kommunikativen Fähigkeiten. Sie bilden das Fundament des Mitarbeiters ab, auf dem das Unternehmen dann zielgerichtet aufbauen kann. Ein Training kann jeder erhalten, aber dieses besagte Fundament, muss der Aspirant selbst mitbringen.


Beispiel aus der Fliegerwelt:

Bei Airlines mit hohen Auswahlstandards werden für die Pilotenauswahl zumeist drei- oder sogar vierstufige Auswahlprozesse durchgeführt. Dabei werden u.A. technisches Wissen, Sprachkenntnisse, kognitive Fähigkeiten, Verhalten im Konfliktfall, Team-, aber auch Führungs-, Problemlösefähigkeiten und fliegerisches Können abgefragt sowie hieraus psychologische Profile der Aspiranten erstellt.

Die Liste ist nicht abschließend, sie soll nur einen Einblick darüber geben, welcher Aufwand betrieben wird, um die richtigen Kollegen für das Cockpit auszusuchen. Denn die Durchfallquoten, z.B. beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, liegen in Summe in einer Größenordnung von ca. 90%[i]. Dies wird natürlich zuallererst gemacht, um die Sicherheit an Board zu garantieren. Darüber hinaus dient es aber auch einem einfachen Zweck. Jeder Erste Offizier wird als potenzieller zukünftiger Kapitän eingestellt. Man geht also in diesem Fall fest davon aus, dass der Bewerber später einmal den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gehen wird. Alle persönlichen Anforderungen zum Kapitän sollten somit bereits mit der Einstellung zum Ersten Offizier vorliegen, obgleich hier mitunter eine Zeitspanne von 10 bis 20 Jahren dazwischen liegen kann.


Fragen an Sie zur Anregung:

Haben Sie einen strukturierten Prozess zur Auswahl Ihrer Mitarbeiter im Allgemeinen und Ihrer Schlüsselpositionen im Besonderen? Suchen Sie Mitarbeiter nur für die aktuelle Aufgabe oder denken Sie tatsächlich auch voraus, wo Ihr Mitarbeiter in fünf oder zehn Jahren stehen könnte? Gehen Sie gezielt gegen die Bildung von Subkulturen in Ihrem Unternehmen vor?


Wenn Sie diese Fragen mit ja beantworten können, dann ist Ihr Unternehmen wirklich super strukturiert und Sie haben einen deutlichen Vorteil gegenüber vielen Ihrer Mitbewerber.


3. Förderung & Entwicklung

Schlussendlich stellt sich die Frage, wie man die Mitarbeiter langfristig strukturiert fördert und entwickelt. Dies ist sicherlich vor allem für kleinere Unternehmen eine der größten Herausforderungen, da dies mit einem nicht zu unterschätzendem Personalaufwand verbunden ist.


Viele Unternehmen schrecken hiervor zurück, vor allem weil Sie Angst haben, die Mitarbeiter könnten das Unternehmen mittel- bis langfristig verlassen. Hierzu möchte ich einen Satz anbringen, dessen Quelle ich zwar nicht wiedergeben kann, der aber alles perfekt subsumiert:


„What if you invest in your staff and they go? But what if you don’t and they stay?!”


Am Ende des Tages ist es eine Grundsatzentscheidung, inwieweit man sich professionalisieren will oder nicht.


Bei der Förderung und Entwicklung sollte man darüber hinaus auf zwei verschiedenen Ebenen vorgehen. Eine Ebene bildet klassisches Training. Die nächste Stufe ist das tägliche Coaching durch die Vorgesetzten selbst.


a. Training

Dies ist verhältnismäßig einfach. Gemeinsam mit dem Mitarbeiter identifizierte Schwächen, Interessen und Potentiale können durch den Einkauf externen Trainings verbessert werden.

Vorteil: Verhältnismäßig einfach zu realisieren.

Nachteil: Wird das Erlernte nicht zielgerichtet nachverfolgt, angewendet und regelmäßig überprüft, kann es auch genauso schnell wieder verpuffen.


b. Kontinuierliches Coaching durch Vorgesetzte

Dieser Ansatz ist bestimmt der herausforderndste. Viele Unternehmen gehen diesen Schritt erst gar nicht strukturiert an. Teilweise aus Unwissenheit oder aus Überforderung, weil es im Tagesgeschäft schlicht untergeht.

Der Grundgedanke besteht darin: Vorgesetzte, vor allem das mittlere Management, müssen auf operativer Ebene täglich vereinbarte Prozesse, strukturierte Problemlösungsansätze und die Weiterentwicklung der Methoden beherrschen, Mitarbeiter darin bei Bedarf trainieren und das Erlernte und Implementierte einfordern. Hierbei müssen sie nicht nur führen, sondern auch den ersten Ansprechpartner für Fragen und die Weiterentwicklung der Prozesse darstellen.

Sie sehen, wie wichtig es ist, die richtigen Mitarbeiter für diese Positionen auszuwählen. Denn die nötigen Kompetenzen sind sehr anspruchsvoll und vielseitig. Die Herausforderung besteht somit nicht nur darin, die Führungskräfte kulturell auf eine einheitliche Linie zu bringen, sondern auch methodisch auf einem sehr hohen Stand zu halten.

Idealerweise sollten Schlüsselpositionen im Unternehmen von Mitarbeitern mit starkem Leadership besetzt werden, sodass sie für ihr Team gleichzeitig als mögliche Mentoren angesehen werden.

Vorteil: Garantierte Nachhaltigkeit

Nachteil: Erfordert strukturierten Prozess und ist vor allem für die Führungskräfte sehr herausfordernd.


Beispiel aus der Fliegerwelt zum Trainingsaufwand:

Als Beispiel soll hier der jährliche Trainingsaufwand für uns Piloten beschrieben werden.

Bei allen Airlines müssen Schulungstage fest eingeplant werden. Die Basis hierfür bilden gesetzliche Grundlagen. Es sei aber ausdrücklich erwähnt, dass wir nicht trainieren, weil es gesetzlich verpflichtend ist. Wir trainieren, weil es für jeden einzelnen förderlich ist! Neben den Simulatoreinsätzen, finden u.A. auch Schulungen zum Thema Gefahrgüter, Safety- and Security oder Crew-Ressource-Management (CRM) statt.

Bei letzterem werden vor allem die Themen (interkulturelle) Kommunikation, Konfliktbewältigung und Teamarbeit aufgefrischt. Die Themen werden anhand realer Vorfälle aus der eigenen Airline, aber auch aus aller Welt diskutiert und herausgearbeitet und bilden somit einen wichtigen Ansatz der kontinuierlichen Verbesserung (KVP).


Im Simulator werden sog. „Abnormals“, also Fehlfunktionen und das damit verbundene Flugverhalten trainiert, Vorfälle aufgearbeitet und das fliegerische Handwerkzeug überprüft und gefestigt. Dabei geht es genauso darum, wie man in solch einer abnormalen Stresssituation als Team Ruhe bewahrt und das Problem prozedural standardisiert abarbeitet. Die Prozesse hierfür sind genau beschrieben.

Der standardisierte Prozess und das CRM Training helfen uns dabei immer wieder, Auffanglinien zu bilden, wenn man im Eifer des Gefechts den roten Faden verliert.

Darüber hinaus müssen Piloten verschiedene Themen zuhause in Form von Computer-Based-Training bearbeiten. Zusätzlich kommen verschiedene jährliche Checks hinzu.


In Summe kommen Piloten somit auf mind. ca. zwei Trainingswochen pro Jahr. Wenn ein Upgrade zum Kapitän oder ein Musterwechsel des Flugzeuges vorgesehen ist, können die Schulungen auch einen Umfang von bis zu drei Monaten umfassen.


Fragen an Sie zur Anregung:

Räumen Sie Ihren Mitarbeiter genug Trainingszeit ein? Haben Sie einen strukturierten Schulungsplan für Ihre Mitarbeiter? Verfolgen Sie über die Zeit strukturiert die Entwicklung Ihres Mitarbeiters? Planen Sie strukturiert die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter? Sind Ihre Vorgesetzten auch automatisch angesehene Mentoren und coachen diese Ihre Mitarbeiter?


Fazit

Die Identifikation von Schlüsselpositionen, auch außerhalb der offiziellen Management-Ebenen, kann Ihrem Unternehmen helfen, langfristig Kosten zu sparen. Hierzu bedarf es zuallererst einer sauberen Prozessbeschreibung, aus der im Anschluss erst notwendige Positionen abgeleitet werden können.


Ist dies geschehen, können Sie sich auf den Auswahlprozess des richtigen Mitarbeiters konzentrieren. Dieser sollte neben fachlichem Wissen vor allem die psychologische Analyse von Soft-Skills umfassen, die die Basis bilden, um Ihrem Mitarbeiter firmenspezifische Werkzeuge, Wissen und vor allem die eigene Firmenkultur zu vermitteln.


Schlussendlich spielen das kontinuierliche strukturierte Training sowie Coaching eine wesentliche Rolle, um einen hohen Standard bei Soft- und Hard-Skills zu halten.


Wir freuen uns darauf, mit Ihnen in Kontakt treten zu dürfen, um Ihnen dabei zu helfen Ihre spezifischen Herausforderungen zu meistern. Gemeinsam mit Ihnen bauen wir eine Struktur auf, die sich explizit an Ihrem Prozess und Ihren Bedürfnissen orientiert.


Ihr


Moritz Hirscher







Literatur [i] Hesse/Schrader/ Carsten Roelecke: Der Pilotentest – Testtraining für Piloten und Fluglotsten, Stark Verlag

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